Manifest

1.
Die Wiesbadener Freie Kunstschule ist eine eigenständige, freie, autonome Institution der Kinder- und Erwachsenenbildung auf dem Sektor der bildenden Kunst (Malerei, Zeichnung, Fotografie, Videokunst)

2. 
Das interdisziplinäre Studiensystem der Wiesbadener Freien Kunstschule ist weltweit einmalig

3.
Die Wiesbadener Freie Kunstschule ergänzt oder ersetzt nicht einfach staatliche durch privat formulierte Lehrziele; vielmehr ist sie eine Spezialschule, die unter der Maßgabe wissenschaftlicher Kriterien authentische Forschung an bildnerischen Fragestellungen betreibt und damit Maßstäbe für staatliche Schulen, Akademien, Hochschulen etc. setzt (die weltberühmte Akademie Bauhaus Dessau hat 1996 die innovationsbedeutsame Didaktik der wfk in ihr Lehrprogramm aufgenommen)

4.
Die Wiesbadener Freie Kunstschule vertritt die Überzeugung, dass vergleichbar zur musikalischen Ausbildung ein perfektes Handwerk und eine kreativitätsfördernde Theoriebildung auch für eine bildnerisch-künstlerische Ausbildung grundlegende Lehrziele sein müssen („Ich sehe nur das, was ich weiß“)

5.
Das Lehrziel staatlicher Hochschulen setzt auf eine falsche Freiheit im Atelier: Die Kunstschüler seien von vornherein Genies und bräuchten keine kritische Begleitung ihrer Arbeit. Die große Gefahr dabei: Sie rutschen konzeptlos in Beliebigkeit und Willkür ab und / oder werden Opfer der Kunstindustrie. Das Lehrkonzept der Wiesbadener Freien Kunstschule vollzieht eine Wende um 180 Grad: Wirkliche, lebendige, substantielle Spontaneität und Freiheit im Bildnerischen werden erst durch eine hoch anspruchsvolle umfassende handwerkliche Schulung, durch eine tiefgründige Sensibilisierung der Wahrnehmungs- und Urteilsfähigkeit ermöglicht

6.
Die Wiesbadener Freie Kunstschule stellt eine intensive handwerkliche (und damit auch theoretische) Ausbildung an den Anfang des Kunststudiums

 


Außergewöhnliche Lehrziele und Angebote der 
Wiesbadener Freien Kunstschule:


Grundsätzlich übernimmt die Lehre der wfk wahrnehmungs- und bewusstseinserweiternde Funktion. Jeder, der an der wfk studiert, spürt von Anfang an den besonderen Anspruch an ein bildnerisches Arbeiten. Es wird die Sensibilität dafür vermittelt, dass das bildnerisch-künstlerische Arbeiten weit über eine hobbymäßige Beschäftigung hinausgeht bzw. hinausgehen sollte und mit willkürlichem Arbeiten aus dem Bauch heraus (freies Arbeiten im schlechten Sinne) und bloßem Zeitvertreib nichts zu tun hat. Es geht grundsätzlich um die Entwicklung des Sehens und Wahrnehmens und um die bildnerische Umsetzung einer neuen, individuellen Sichtweise auf die Dinge. Alltäglichkeit, Gewohnheit, eingeschliffene schematisierte Sichtweisen werden aufgebrochen und sensibilisiert, differenziert, herausgefordert. Die Studenten der wfk sind gleichberechtigte Mitglieder eines Forschungskreises, die in kooperativer Zusammenarbeit bildnerisch anspruchsvolle Themenbereiche sachkritisch untersuchen und individuell bereichern und nachvollziehbare neuartige Forschungsergebnisse erarbeiten. 

Über Jahrzehnte hinweg hat die wfk eine besondere Lehre („Tonalitätslehre“) entwickelt, die keine staatliche Akademie in dieser Schärfe und Prägnanz formuliert. Sie stützt sich auf wissenschaftliche Ergebnisse der Wahrnehmungspsychologie und der Kunstsoziologie. Sie ist das eigentliche Gerüst der handwerklichen und theoretischen Vermittlung der wfk. Sie bildet den Prototyp einer sachhaltigen, nachvollziehbaren, objektiven Arbeitsform im Bereich der Künstlerausbildung. Sie ist der Dreh- und Angelpunkt einer niveauvollen Künstlerausbildung.

 


Zum Ablauf der Künstlerausbildung:

Das Studium der wfk ist als Kompaktstudium konzipiert. Der Student wählt einen handwerklich-technischen Fachbereich wie Malerei, Zeichnen, Fotografie, Videokunst. Jeder Fachbereich wird von Pflichtfächern, nämlich Kompositionslehre, Farbenlehre, Synthetisches Zeichnen, Kunstgeschichte, Werkanalyse, umringt. Alle diese genannten Fächer befinden sich auf wissenschaftlich hohem Niveau und vermitteln unverzichtbare Kenntnisse und Fertigkeiten, die zum Zwecke ihrer kreativen Umsetzung in den handwerklich-technischen Fachbereich einfließen und ihn substantiell aufladen. Dieses interdisziplinäre Studiensystem ermöglicht eine handwerkliche und theoretische Rundumausbildung. Die parallele Erarbeitung der Studienfächer im Rahmen des interdisziplinären Studiums verschafft einen umfassenden Einblick und erreicht eine vielseitige Schulung der unterschiedlichsten bildnerischen Anforderungen, die im jeweiligen Fachbereich konzentriert angegangen werden. 

Die Studenten der Wiesbadener Freien Kunstschule werden nicht einfach in die Ateliers gestellt, in denen sie konzeptlos drauflosarbeiten sollen. Ihre intensive Schulung garantiert vielmehr ein vielseitiges, anspruchsvolles, umfassend elaboriertes Lehrplansystem, das die zu behandelnden Themen sowie den Arbeitsablauf des Semesters (i.d.R. ein halbes Jahr) entwirft und protokolliert. Jeder Student hat mindestens drei Mal pro Woche abends ab 17 bzw. 18 Uhr bis etwa 22 Uhr offizielle Seminare und Veranstaltungen. Die Betreuung des praktischen Arbeitens in den Ateliers verläuft ganztägig. Die abendlichen Veranstaltungen sind Pflichtveranstaltungen, die Atelierarbeit ist freiwillig. Aus diesem Grunde ist das Studium an der wfk auch als berufsbegleitendes möglich. 

Die Art der Betreuung ist für eine Künstlerausbildung grundlegend. Mit den Methoden der objektiven Werkanalyse garantiert die Wiesbadener Freie Kunstschule jedem Studenten eine umfassende und vor allem sachhaltige Rückmeldung von Zwischenergebnissen und Endarbeiten. Die Dozenten der Wiesbadener Freien Kunstschule verbreiten keine Geschmacksurteile. Vielmehr werden auf vergleichslos intensive Weise nachvollziehbar Stärken und Schwächen eines Werkes beurteilt, um gezielte Empfehlungen für das weitere Arbeiten formulieren zu können. Die Wiesbadener Freie Kunstschule ist damit kein Ort von Selbstdarstellungszampanos, die ausschließlich ihre Persönlichkeit inszenieren und vermarkten. Vielmehr ist sie ein Ort ehrlicher sachhaltiger und damit konstruktiver Kritik. 

Die Leistungen innerhalb jedes einzelnen Faches werden in Form von Notengebungen bewertet. Nach jedem Semester wird eine Prüfung absolviert, die zum Übergang zum nächst höheren Semester berechtigt. Jede Prüfung verlangt die Vorlage der den jeweiligen Lehrplänen der obligatorischen Fächer entsprechenden bildnerischen Anforderungen. Zudem wird eine mündliche Prüfung in den Fächern Kompositionslehre und Farbenlehre abgehalten.

Ab Grundlehre I bis zur Studienklasse geht es verstärkt um die individuelle Begleitung des Weges zur Entwicklung einer eigenständigen bildnerischen Artikulation.

Im Gegensatz zu bloßen bildnerischen Interpreten, die nur das kopieren, was sie sehen, bildet die Wiesbadener Freie Kunstschule bildnerische Komponisten aus, die grundsätzlich neuartige Ausdrucksstrukturen entwickeln.

Die Wiesbadener Freie Kunstschule befähigt die Absolventen zu einer eigenständigen bildnerischen Artikulation. Die wfk leistet eine Berufsausbildung im wahren Sinne von „Berufung“. Entsprechend geht es der wfk nicht um die Befähigung zu einer finanziellen Reproduktion des Lebens durch Anbiederung des Werkes auf dem Kunstmarkt. Vielmehr vertritt die wfk den künstlerisch-ethischen Anspruch, die Logik der Marktmechanismen und Marktabhängigkeit zu vermeiden

An vielen Hochschulen (Universitäten) gibt es für den Fachbereich Bildende Kunst kaum arbeitsstrukturierende Reglements: Nach Verstreichen einer angelegten Zeitspanne erhält man das Diplom-Zeugnis. Angesichts dieses unhaltbaren Zustandes steht die wfk für eine qualitativ hochwertige Ausbildung durch eine systematische und individuelle Begleitung des Studenten ein. Damit eröffnet sich ein Unterschied ums Ganze: Die Wiesbadener Freie Kunstschule vertritt die Überzeugung, dass ein staatlich anerkanntes Zertifikat weniger wert ist als eine qualitativ hochwertige Ausbildung ohne Zertifikat. Nicht der Staat entscheidet über die Güte einer Ausbildung, sondern ein Fachkollegium, ob staatlich anerkannt oder nicht. Dem Fachkollegium geht es grundsätzlich nur um die Sache selbst, nicht darum, welchen Status man durch eine Ausbildung erlangt. Denn der Beruf Künstler ist nicht geschützt, jeder kann sich Künstler nennen


© Wiesbadener Freie Kunstschule, Michael Becker, Januar 2006

 

 

 

 

Wolfgang Becker